Nach meinem Ausstieg bei Tayo gründete ich mein erstes Start-up: Goplan – eine kollaborative Plattform für Architekten und Ingenieure. Es war eine intensive, spannende, aber auch erschöpfende Reise. Nach Abschluss des Projekts verspürte ich den Wunsch nach einer Pause, einem besseren Gleichgewicht, vielleicht sogar nach einer ruhigeren Position.
In dieser Phase nahm ich wieder Kontakt zu Tayo auf. Zunächst, um einfach auszuhelfen, ohne konkrete Pläne. Der damalige CEO Étienne empfing mich offen, jedoch nicht für eine Rückkehr als Entwickler. Stattdessen präsentierte er mir eine neue Idee: eine eigenständige Plattform für Dienstleister.
Überraschung: Zunächst lehnte ich ab.
Ich wollte zur Ruhe kommen. Unternehmertum war fordernd und ich sehnte mich nach Stabilität. Doch während eines Bewerbungsgesprächs für eine Festanstellung hatte ich eine unerwartete Eingebung. Nach dem Gespräch dachte ich: „Mit diesem ruhigen Job könnte ich nebenbei wieder eine App entwickeln …“ und mir wurde klar: Ich bin Unternehmer durch und durch. Also, warum nicht gemeinsam mit Menschen, die ich schätze?
Ich sagte zu.
Gemeinsam mit Étienne beschlossen wir, das Potenzial der Idee in zwei Monaten zu testen.
Ich führte Interviews mit Handwerkern: Schreinern, Elektrikern, Installateuren. Die Erkenntnis war eindeutig: Sie wollten digitaler arbeiten, aber nicht mit Werkzeugen, die ihnen von den Verwaltungen aufgezwungen werden. Ihre Realität: Einsatzpläne auf Papier, WhatsApp-Gruppen für Fotos, Büroangestellte, die stundenlang versuchen, Ordnung ins digitale Chaos zu bringen. Doch was mich beeindruckte, war ihr Erfindergeist – der Wille zur Verbesserung trotz begrenzter Mittel. Genau hier entstand die Idee zu Tayo.pro.
Ein Produkt allein entwickeln – im strukturierten Rahmen
Die ersten zwei Monate standen ganz im Zeichen der Vorbereitung: Business-Planung, Interviews, erste Mockups, ein klarer Produktfahrplan. Mein Ziel: eine solide Basis – und vor allem der Beweis, dass Kunden bereit sind zu kaufen, noch bevor die erste Zeile Code geschrieben ist. Und genau das passierte: Mehrere Unternehmen bestellten Tayo.pro allein auf Grundlage der vorgestellten Vision. Darauf bin ich besonders stolz.
Technologisch entschied ich mich für Effizienz: Flutter, Firebase, serverlose Architektur. Nicht aus Prinzip, sondern weil ich schnell liefern musste – allein und ohne Infrastrukturaufwand. Das Produkt sollte leichtgewichtig, wartbar und auf allen Endgeräten nutzbar sein.
Das Ziel: Eine hands-on App, die ohne Schulung funktioniert. Während das Hauptprodukt von Tayo komplexe Prozesse auf Seiten der Verwaltungen abbildet und persönliche Betreuung erfordert, richtet sich Tayo.pro an einen breiteren, dezentraleren Markt. Der Anspruch: ein einfaches, klares und vor allem eigenständig nutzbares Produkt. Mit integrierten Videos, kontextuellen Hilfen und robuster UX verfolgt Tayo.pro ein klares Prinzip: Einfachheit ist kein Zufall – sie ist harte Arbeit.
Ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich verzweifelt versuchte, die Navigation zwischen Tablet, Desktop und Mobile zu harmonisieren. Nichts funktionierte einheitlich. Gleichzeitig las ich den Bericht eines Entwicklerfreundes, dessen Projekt am Launch scheiterte – wegen einer überambitionierten Tech-Stack. Das war ein Moment des Innehaltens. Aber genau solche Erfahrungen gehören dazu.
Schnell testen, gezielt optimieren
Nach drei Monaten stand die erste nutzbare Version. Sie deckte die Anforderungen der Büro-Teams ab: zentrale Anfragenverwaltung, Statusübersicht, einfache Kommunikation mit den Verwaltungen. Die mobile Nutzung auf dem Feld – inklusive Einsatzberichte – war bewusst für später eingeplant.
In den Folgemonaten testeten erste Nutzer intensiv die Anwendung. Die Rückmeldungen waren wertvoll. Es gab keine grundlegenden Kurswechsel, aber kontinuierliche Feinjustierungen: bessere Informationsstruktur, intuitivere Navigation, klarere Statusanzeigen. Da wurde mir bewusst: Die Benutzerfreundlichkeit von Business-Software steht und fällt mit Details.
Was mir geholfen hat? Eine nahezu eiserne Disziplin beim Refactoring. Wenn ein Codesegment beim erneuten Lesen unlogisch oder unklar war, habe ich es überarbeitet. Das Resultat: Ich kann heute Funktionen ergänzen oder ändern, ohne das Bestehende zu gefährden. Darauf bin ich stolz: Bis heute gab es keinen einzigen schwerwiegenden Bug in der Produktivumgebung. Die investierte Zeit hat sich ausgezahlt – in Form von Stabilität, Gelassenheit und Flexibilität.
Intrapreneurship – aber nicht allein
Ich habe mich nie einsam gefühlt in diesem Prozess. Ich war Teil eines inspirierenden, unterstützenden Teams. Der neue CEO Johan war eine wichtige Stütze, ebenso wie Lauriane (Product Owner), die Entwickler und der Kundensupport. Bei Tayo ist kollektive Intelligenz gelebte Praxis.
Kleine Rituale stärken unser Teamgefühl: spontane Mittagessen mit Kolleg:innen, ein Afterwork-Apéro oder eine Partie Tischtennis zwischen zwei Meetings. Und: Wir feiern auch die kleinen Erfolge. Gemeinsam. Das macht die Mühe leichter.
Besonders eindrücklich: ein Abend mit Hélène bei der 50-Jahr-Feier eines unserer ersten Kunden – der Schreinerei Ducommun SA. Ein Einblick in eine ganz andere Welt – den Arbeitsalltag unserer Nutzer:innen. Diese Momente geben Sinn und Motivation.
Vater, Entwickler und Nutzer: Wenn Leben verschmilzt
Manchmal arbeitet mein Sohn neben mir. Einmal klopfte er auf den Tisch, imitierte mein Tippen, zeigte auf den Bildschirm und sagte: „Papa, das ist rot – das geht nicht.“ Er hatte eine rote Markierung im Code gesehen. Ein Irrtum, aber ein lustiger.
Was ich gelernt habe – und was kommt
Die grösste Herausforderung? Unterschiedliche Arbeitsabläufe vereinheitlichen. Jeder Dienstleister arbeitet mit mehreren Verwaltungen, manche sind Tayo-Kunden, andere nicht. Manche nutzen ERP-Systeme, andere Eigenlösungen. Ich musste einen einheitlichen, stabilen Workflow schaffen – unabhängig von der Datenquelle. Das braucht Zeit.
Die grösste Hürde? Verzögerungen durch administrative Prozesse: Verträge, rechtliche Fragen, Konditionen. Das bremste den kommerziellen Start, aber schuf letztlich ein solides Fundament.
Und dann sind da diese Rückmeldungen, die alles aufwiegen. Wie diese:
„Ich wollte dir einfach für deine schnelle Reaktion auf die Ideen/Bugs im Forum danken … Danke für deine Effizienz, Schnelligkeit, Offenheit. Wir glauben, mit Tayo.pro eine starke, funktionierende Organisation aufbauen zu können!“
Solche Worte motivieren und setzen neue Energie frei.
Das Ziel für die nächsten 12 Monate: Die Zahl zahlender Nutzer:innen steigern. Nicht um jeden Preis, sondern um das Produkt langfristig tragfähig zu machen und weiterentwickeln zu können. Prioritäten: Ausbau der mobilen Nutzung, optimierte Module für den Einsatz vor Ort und umfangreiche Integrationen für alle Anwendungsfälle.
Und wenn das gelingt? Mein Traum: ein eigenes Tayo.pro– ein Branchentreff für Handwerksunternehmen. Eine Art WWDC für Schweizer Dienstleister. Wenn dieser Tag kommt, weiss ich: Wir haben etwas Grosses geschaffen.
Tayo.pro entstand aus echtem Bedarf, inspiriert durch das Vertrauen unserer ersten Kund:innen. Auch wenn der Anfang ein Ein-Mann-Projekt war – es steht für eine kollektive Vision. Ein Produkt für alle, die tagtäglich die reale Welt gestalten.